Der exil-DramatikerInnenpreis 2022 vergeben von den WIENER WORTSTAETTEN in Kooperation mit dem Schauspiel Leipzig und dem Verein exil geht an Giorgio Ferretti für sein Stück America.

Seit 2007 unterstützen die WIENER WORTSTAETTEN die exil-Literaturpreise, eine Initiative des Vereins exil, mit einem Preis in der Kategorie „Drama“. Bisherige PreisträgerInnen waren: Semir Plivac, Ana Bilic, Sasha Marianna Salzmann, Olga Grjasnowa, Azar Mortazavi, Valerie Melichar, Susanne Ayoub, Barbara K. Anderlič, Christian Maly-Motta, Mehdi Moradpour, Amirabbas Gudarzi, Alexandra Pâzgu und Emre Akal.

In diesem Jahr wurden beim international ausgeschriebenen Wettbewerb 47 Stücke von Autor*innen aus Brasilien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Schweiz, Serbien und Ungarn eingereicht.

Die Jury bildeten Christine Wahl (Journalistin/Theater der Zeit), Matthias Döpke (Dramaturg/Schauspiel Leipzig) und Bernhard Studlar (Autor/Wiener Wortstaetten).

Der mit einem Preisgeld von € 3.000,- dotierte exil-DramatikerInnenpreis 2022 geht an Giorgio Ferretti für sein Stück „America“. Mit dem Preis ist des Weiteren eine Uraufführung am Schauspiel Leipzig in der Spielzeit 2023/24 verbunden.

Die Preisverleihung findet am 16. Dezember 2022 im Literaturhaus Wien statt.

Juryspruch:

Gianna Nannini besang es vor über vierzig Jahren und löste einen Skandal damit aus: „America“ zu spüren, zu berühren und immer wieder neu zu suchen. Auf dem Plattencover hielt die Freiheitsstatue selbstbewusst einen Dildo anstelle der Fackel in die Höhe. Giorgio Ferretti, der 1990 in Lecco, Italien, geboren wurde und seit 2019 Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, macht „America“ zu einem humor- und lustvollen Spielmaterial für die Bühne. Auf nur zwanzig Seiten entwirft der Autor eine Coming-of-Age-Geschichte, deren Hauptfigur wir in schlaglichtartigen Episoden von den Verwirrungen der frühen Pubertät bis in die Ungewissheit des Erwachsenenlebens mit Mitte dreißig begleiten dürfen. Zu Wort kommt insbesondere diese eine Figur, die laut Vorwort vermutlich, aber nicht unbedingt männlich gelesen wird. Aber auch seine Familie, Mitschüler*innen, Freund*innen, der Chef und andere Beteiligte melden sich zu Wort, wenn sie gefragt oder ungefragt eine Haltung zu dem Thema einnehmen, das die Hauptfigur so sehr umtreibt: die Sehnsucht nach „America“.

Ausgehend von Selbstbefriedigung gerät „America“ zur Selbstbefragung. Kann dieses „America“ also anfangs wie bei Gianna Nannini gedeutet werden, so wandelt sich diese Metapher von der Suche nach Erotik hin zur Sehnsucht nach Selbstfindung, Karriere, Exzess, Sicherheit, Liebe und führt die Hauptfigur unter anderem auch nach Amerika selbst.
Was den Text besonders auszeichnet, ist der melancholische Humor, der sich durch alle Kapitel zieht. Giorgio Ferretti hat mit „America“ ein komprimiertes Spielmaterial geschaffen, ein Theaterstück, das von Sehnsüchten handelt, die alle Menschen empfinden und die doch für die meisten immer rätselhaft bleiben, da sie so individuell und flüchtig wie das wahre Leben sind.

Über den Autor

Giorgio Ferretti ist 1990 in Lecco, Italien, geboren und wohnt seit 2014 in Deutschland. Er hat Literatur- und Kulturwissenschaften in Mailand, Bremen, Bonn und Florenz studiert. Neben Jobs in der Hotellerie und der Gastronomie hat er am Institut für Romanistik der Universität Bonn sowie in einem Seniorenheim in Straßburg gearbeitet. Seit 2019 studiert er am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er hat bei der Lesereihe „Hausdurchsuchung“, der „Tippgemeinschaft“ und „Edit“ mitgearbeitet. Er wurde zum auftakt festival für szenische texte 2021, zum 25. Klagenfurter Literaturkurs 2022 und zu den Bieler Gesprächen 2022 eingeladen. Außerdem ist er Teil des Verlagskollektivs hochroth Leipzig sowie des Schreib- und Performancekollektivs Rhymth. Aktuell hat er das gerade entstehende Junge Literaturinstitut mitbegründet, um dort Literaturworkshops für Kinder und Jugendliche zu organisieren. Prosa, Lyrik, Essay und Dramatisches von ihm wurden in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht, u.A. in BELLA Triste, PS Politisch Schreiben, GYM, Glitter, Jenny, Hot Topic! und Das Narr.


Giorgio Ferretti
Foto: David Tiefenthaler